Von Berlin nach Kaliningrad mit der TEJA IV
Eine Reise von Christel und Joachim Blanck – Sommer 2017
Statistik:
Seetage: 15
Hafentage: 16
– davon Starkwindtage: 2
Reisetage gesamt: 31
Reiseunterbrechungen: 3
Strecke unter Segel: 438 sm
Strecke unter Motor: 206 sm
Strecke der gesamten Reise: 644 sm
Fahrtage – Binnen: 3
Strecke unter Motor: 220 km
Schleusen (Anzahl): 5
Mastlegen (Anzahl): 2
Seegebiete/Wasserstraßen und Häfen/Ankerplätze
DEUTSCHLAND
SCA – SOW – HOW – Hohensaaten – Westoder
POLEN
Szczecin (Pogon) – Odermündung – Oderhaff -Kaiserfahrt – Świnoujście – Kaiserfahrt – Oderhaff
DEUTSCHLAND
Ueckermünde – Oderhaff
POLEN
Kaiserfahrt – Świnoujście – Pommersche Bucht – Kołobrzeg – Darłowo – Łeba – Władysławowo – Danziger Bucht – Gdynia
RUSSLAND
Danziger Bucht – Baltijsk – Kaliningrader
Seekanal – Kaliningrad – Kaliningrader Seekanal – Baltijsk – Danziger Bucht
POLEN
Hel – Władysławowo – Łeba – Darłowo – Kołobrzeg – Pommersche Bucht – Kaiserfahrt
DEUTSCHLAND
Oderhaff – Ueckermünde
Reisetagebuch
Für den Segeltörn in die Russische Föderation waren eine Reihe von Vorbereitungen zu treffen, die über das sonst Übliche hinausgingen. Zunächst über einen kommerziellen Anbieter Einladungen besorgen, dann Visa beantragen – war nervig, da im Online-Anmeldekalender des russischen Konsulates in Berlin alle verfügbaren Tage mit „Besetzt“ markiert waren und deshalb mit erheblichen Mehrkosten die Dienste eines Visabeschaffungsbüros in Anspruch genommen werden mußten.
Die Seekarte BA 2278 „Baltijsk und Kaliningrad“ war nur antiquarisch über eBay zu beschaffen, da die Edition dieser Karte 2014 eingestellt und durch vier (!) dementsprechend teurere Einzelkarten ersetzt wurde. Letztendlich – und hier sei zeitlich vorgegriffen – erwies sich diese Karte als unnötig, der Kaliningrader Seekanal ist hervorragend ausgetonnt und birgt keine navigatorischen Schwierigkeiten.
Aus der Website der Kaliningrad Maritime Port Administration habe ich mir noch die englischsprachigen „Regeln für Skipper von Sport- und Freizeitbooten für die Territorial- und Hafengewässer Kaliningrad“ sowie aus der Website der russischen Zollverwaltung das Formblatt „Zolldeklaration“ heruntergeladen und übersetzt, was sich für das Einlaufen nach Baltijsk und die dortige Zoll- und Grenzkontrolle als hilfreich erwiesen hat.
Schließlich konnte am 10. Mai im heimatlichen Segel-Club Argo abgelegt und nach zwei Fahrtagen über SOW, HOW und Oder in der Marina Pogon (Szczecin) der Mast gestellt werden.
In Świnoujście erreichte uns eine Nachricht, die uns wegen einer dringenden Familienangelegenheit nach Berlin zurückrief, also Umkehr nach Ueckermünde und Bahnfahrt nach Berlin.
Am 18. Mai konnte nun endgültig gestartet werden, auf längst erkundeten (See)pfaden segelten wir längs der polnischen Küste hinein in die Danziger Bucht. Unterwegs hatte die Service-Batterie schlappgemacht, ein Ersatz – wenn auch nicht typgleich – war in Gdynia problemlos möglich. Diese Hafenstadt und die Marina behalten wir in angenehmer Erinnerung, freundliche Hafenmeisterin, ansprechendes Stadtbild und dabei schönstes Frühsommerwetter.
Da wir am 26. Mai den langen Kanten nach Kaliningrad versegeln wollten, hieß es früh aufstehen. Die polnischen Grenzer – mit Hilfe der Hafenmeisterin um 05.30 Uhr zum Ausklarieren bestellt, waren pünktlich am Schiff, die Grenzabfertigung verlief problemlos, so daß wir 05.55 Uhr die Leinen loswerfen konnten.
Ein schöner WNW von 3-4 Bft, später auf NW drehend, blies uns mit durchschnittlich 6 kn über die Danziger Bucht, so daß wir gegen 16.40 Uhr an der Grenzkontrollstelle Baltijsk anlegten. Wegen der pflichtgemäß 6 sm vor der Hafeneinfahrt bei Baltijsk Traffic über UKW-Kanal 74 erfolgten Anmeldung wurden wir schon erwartet.
Zunächst kam der obligatorische Drogen-Schnüffelhund zum Einsatz, dann nahmen die Grenzer die Pässe an sich, um sie zu visitieren und sicherlich am Computer abzugleichen und schließlich besuchte uns der Zoll in Person eines Zolloffiziers. Einen Hinweis von mir auf eine etwas höhere Menge von Alkohol an Bord, als das niedrige russische Limit für zwei Erwachsene gestattet, überhörte er lachend. Nach etwa 30 min konnten wir von der Grenzkontrollstelle ablegen und die 22,5 sm Motorfahrt durch den Kaliningrader Seekanal antreten. Wie bereits erwähnt, navigatorisch völlig problemlos, sicher auch deshalb, da für die Großschifffahrt zeitlich versetzter Einrichtungsverkehr herrscht und wir hier „mitschwimmen“ konnten.
Aus den Unterlagen von Kaliningrad Tourist-Info hatten wir uns eine stadtnahe Marina ausgesucht und uns dort auch telefonisch angemeldet. Den Kaliningrad Yacht Club wollten wir nicht aufsuchen, da er ziemlich weit außerhalb liegt und weder die erwähnte BA-Seekarte noch unser Plotter für das Frische Haff Tiefenangaben lieferten. Diese sog. Marina „Fischboot“ erwies sich als ein recht übler Schrottkai, an dem wir aber notgedrungen festmachten – die Sonne war schon untergegangen. Am nächsten Morgen war aber wenige hundert Meter westlich ein Segelmast zu sehen, meine Erkundung ergab, daß wir uns in den „Kaliningrad Flußhafen“ verholen konnten. Wasser, Strom und Internet waren vorhanden, jedoch außer einem Dixi-Klo für den Pförtner keine Sanitäranlagen.
Aber der Liegeplatz in Stadtnähe war uns unter der Obhut des gastfreundlichen Hafendirektors Wassilij Iwanowitsch Bukanow für die nächsten sechs Tage eine angenehme Heimstatt, wenn auch bei südlichen Winden das Schiff morgens infolge des vom gegenüberliegenden Kohleumschlagplatz herüber gewehten Kohlenstaubes etwas schwärzlich aussah.
Kaliningrad ist die westlichste Großstadt der Russ. Föderation und hat gegenwärtig etwa 470.000 Einwohner. Ihre flächenmäßige Ausdehnung läßt die Erkundung per Fahrrad gerade noch zu, was wir dann ausgiebig taten.
Zum Kriegsende fast völlig zerstört, bietet die Stadt heute einen unterschiedlichen Anblick aus sog. „Chruschtschowkas“ (Plattenbauten), Neubauten im historisierenden Stil, hypermodernen Wohn- und Geschäftsbauten sowie naturgetreu rekonstruierten Gebäuden aus der preußisch-deutschen Geschichte.
Hier sticht besonders der heute als Konzerthalle genutzte Dom mit zwei in Werder bei Potsdam gebauten Orgeln der Fa. Schuke hervor.
Mit der deutschen Geschichte von Königsberg gehen die Russen ganz locker und sachlich um, dafür mag als ein Beweis die Namensgebung Immanuel-Kant-Universität
für die Föderale Baltische Universität stehen.
Standbilder des Universitätsgründers Herzog Albrecht von Brandenburg, von Immanuel Kant und Friedrich Schiller, nach Kriegsbeschädigungen wieder errichtet, stehen vor der Uni und dem Dramatischen Theater. Eine stadtbekannte Bäckereikette mit leckeren Produkten nennt sich – in deutsch geschrieben – Königsbäcker. In der Stadtinfo haben wir eine Karte des Gebietes Kaliningrad erhalten, welche alle Ortsnamen in russisch und deutsch anzeigt. Soweit dazu.
Nachdem wir uns am Vorabend von Wassilij Iwanowitsch verabschiedet hatten, klingelte am Freitag, dem 2. Juni der Wecker schon um 03.00 Uhr, um die Rückfahrt durch den Kaliningrader Seekanal anzutreten. Nach 30 min waren um 08.00 Uhr die Zoll- und Grenzformalitäten problemlos erledigt. Über die Danziger Bucht ging es zunächst etwas unangenehm hoch am Wind, der allerdings im Laufe des Tages etwas N-licher drehte und damit ein schöneres Segeln ermöglichte.
In Hel wieder in den Schengenraum einklariert, ließen wir die Rückfahrt längs der polnischen Küste gemütlich angehen und haben versucht, uns für die Tagesetappen immer etwas raumen Wind auszusuchen, was bei der um diese Zeit vorherrschenden
W-lichen Windlage teilweise zu mehreren Hafentagen führte, jedoch waren wir ja nicht in Eile.
Schließlich haben wir am 15. Juni um 21.10 Uhr im Stadthafen Ueckermünde festgemacht und damit den Kaliningrad-Törn und die erste Hälfte des Sommer-Segelurlaubs 2017 abgeschlossen.
Ende – Конец